Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.

836

40. Kapitel.

beruhen; desgleichen fMr die Dinge, weiche durch die emsigen Bemillungen der Astronomen -fiber den verschiedenen Lauf der Wandelsterne gefunden sind und fiber deren gleiche Umdrehung dem Weltall
gegenfiber, wenn audi ~bre 'Jahre je nach dem Verh~iiltnaisse der ungleichen Kreise sehr versehiedenes Ende haben; weiter noch bei den
dem Platon nachgebildeten Gedanken fiber die Weltseele und zumU
Lesen all der alten Schriftsteller, welche ihren scha~rfsinnigen Fleiss
den Zahien zuwandten. Am allermeisteia aber zeigt der Gebrauch
dieser Tafel 'sich bequem und wird von den Lehrern der Kunst beiiutzt bei Auffindung der Formein der geometrischen Disciplinen ftn4
bei Anwendung derselben -auf die Ausmessung der Liinder mud Meere.
Allein die Wissensehaft, von der ich eben rede, ist fast bei alien Bewohuern des Abendlandes in Vergessenheit gerathen, irnd so wurde
auch diese Kunst des Rechneus beim Aufhiren der Kunst, als deren
Hulfsmittel sie erfu-nden worden war, niclit gar gross beachtlet; ja
sie kam in Misskredit, mud nur Gerbert, genannt der Weise, emn
Mann von Ifdchster ]Binsicht, und der vortreffliche Gelelirte Hermann
und deren Schfller pfla-nzten Einiges, bis zu unseren Zeiten fort; in
ilinen zeigt sich noch emn schwacher AbIluss jener Quellen der genanuaten Wissenschaft.'
Es sind bier der zu Raduiplis Zeit vorhanclenen wissenschaftlichen Ueberzeugung folgend Siltze ausgesprochen, weiche durchweg
mit dell Ansichten in Einklang stehen, weiclie wir sclion die gauze
Zeit her ver-treten haben: Der Abacus ist sehr nothawendig zum Verstandniss der Plato'niker; die Mathematiker bedienten sich seiner
hauptsiichlich bei Berechnungen aus, dem Bereiche der Feldmesskunast,
und als diese letztere Kunst schwand, da wurde auch der Abacus
fast vergessen; Gerbert und ilermann und ilire Schulen haben niclit
etwa den Abacus neu eingefiffhrt oder gar erfunden,7 sie haben die
halbwegs vei'gessene Kunst nur in einiger Erinnerung erhalten:- Von
Arabern, bei welchen die Kunust geblfiht haben k~5nnte, ist auch bei
Raduiph mit keinem Worte die Rede. Wir schalten hier vorgreifend
em,2 dass ajich von einem anderen Schriftsteller ein sehr beredtes
Schweigen zu melden ist, dass auch Atelhart von Bath, welcher
'Um 1130 fiber den A1acus schrieb, in dieser Abbandlung der
Araber nicht erwiihnt hat, er, der volikommen Arabisch kaunte
und Uebersetzuingen a-us dem Arabischen volIzogen hat, dass er dagegen des Zusammenhanges des Abacus mit der Geometrie sich,wohl bewusst wart).
* 4) Chasles in den Cornpt. Iiend. XVI, 14ltb-1411 und XVII, 147. Die
gauze Abhandlung ist ver~ffentlicht im Bulletino Boncompagni XIV, 91-134