Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.

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39. Kapitel.

Frankreicli fast gauz neues Kapitel der Wissensehaften, und lelirte
alsdann die Astronomie, deren scliwer verst~indlichien 4nhalt er dureli
mancerlerii Vorriclitungen zu erliutern wusste. Richerus nennt, die
wichtigsten astronornisclien Apparate, deren Gerbert sich bediente.
Sie weisen ebenso wie das beim Unterrichte in der Musik gebrauclite
Monocliord aussehliesslicli auf griechiscli- r~misclie Quellen hin 1).
Die dem matliematischen Unterriclit von Gerbert zu Grunde gelegte
Bileher nennt Richerus niclit.
Sollen wir daraus den Schluss zielien, es seien ilberhaupt Biicher
dabei nicht benutzt worden? Es will fast so scheinen. Wenigstens
wird sonst einigermassen unbegreiflicli, wie in spiiterer Zeit jener
Constantinus, den wir ebefi genannt haben, an Gerbert die Bitte urn
scliriftliche Mittheilung des frillier Gelelirten riclitena konnte. Damit
ist freilicli keineswegs ausgeschlossen, dass Gerbert selbst, als Lehrer,
sicli an schon vorliandene Seliriften anlelinte, Seliriften jedenfalls
griechiscli-r~5mischen Ursprunges gleich den Keuntuissen, weiclie iliren
Inhalt bildeten. Wir miissen annelimen, es sei die Aritlimetik des
Boethius darunter gewesen, niclit aber die ilbrigen Seliriften des
gleiclien Verfassers, sondern nur Auszilge und Bearbeitungen derselben
von uns freilicli nicht niilher bekannten Pers~nliclikeiten. Diese Meinung
wird wesentlicli unterstiltzt in ilirem negativen Theile dureli den Urnstand, dass Gerbert, wie wir noch. sehen werden, erst viel spilter mit
der Astronornie und vielleiclit mit der Geometrie des Boetbius bekaunt wurde, in ilirem positiveh Theile durch das letzte Kapitel von
Richers Erzahlung, in weicliem von der Geometrie und von dern
Reclienunterriclite die Rede ist.,,Bei der Geometrie wurde niclit geringere Millie auf den Unterriclit verwandt. Zur Einleitung in dieselbe liess Gerbert dureli einen
Schildmaclier einen Abacus, d. hi. eine durcli ihre Abmessungen geeignete Tafel anfertigen. Die hlUngere Seite war in 27 Theile abgetheilt, und darauf ordnete er Zeichen, 9 an der Zahi, die jede Zahi
darstellen kounten. ilinen fihlnich liess er 1000 Charaktere von Horn
bilden, weiche abwechselnd auf den 27 Abtheilungen des Abacus die
Multiplikation oder Division irgend weiclier Zahlen darstellen soilten,
indem mit deren Hilfe die Division oder Multiplikation so comupendiis von statten ging, dass sie bei der grossen Menge von Beispielen,
viel leicliter verstanden als dureli Worte gezeigt werden konnte. Wer
die Kenutniss davon sich volistandig erwerben will, der lese das Bach,
weiches Gerbert an C. den Grammatiker schrieb. Dort findet er es
zar Genilge und darilber hinaus besclirieben."1
1) Baidinger 1. c. S. 88-42.