Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.

31. Kapitel.
Die Mathematik der Chinesen.,,Wissen, dass man es weiss, von dern was man weiss, und
wissen, dass man es nicht weiss,7 von dem was man niclit weiss,
das ist wahre Wissenschaft." So soil Confucius, der chinesische
Weise, dessen Lebensdauer von. 551 bis 479 angesetzt wird, zu semnen
Schiflern gesagt haben 1). Von China selbst diirfte nach dieser
Definition kaum. eine Wissensehaft m~3glich sein, denn weder was
wir fiber dieses Reich wissen, noch was wir nicht wissen, ist vo-n
Zweifel befreit.
Europaischer Nachforschu-no hat man mit geringen Ausnahmen,
weiche sich auf Mainner bezogeni, die keineswegs mit der kritischen
Vorbereitung eines Gelehrten von Fach ausgerfistet waren, zu alien
Zeiten Hindernisse in den Weg zu legen gewusst. Was uns fiber
Chinas Vergangenheit erzahlt wird, stammt ausschliesslich von der
Benutzunag chinesischer Quellen durch Chinesen her. Der Chinese
aber liebt das Alte. Seine Anhainglichkeit an dasselbe geht so weit,
dass er Neuerungen, wo m6glich, als Riickkehr zu Altem. und
Aeltestem, darsteilt, und wenn ein anderer Ausspruch des CQnfucius,
er habe neue Schriften nicht verfasst, er habe nur die Alten geliebt,
erliiutert und verbreitet2), vielleicht der persdnlichen Bescheidenheit
des Redners entstammt, so ist jedenfalls von Anderen diese Auffassung dahin ilberboten worden, dass sie fMr alt ausgaben, was
durchaus neuen und neuesten Datums war.
So gibt es kaum eine Erfindung, welche nicht mit dankbarer,
vielleicht h~iufig gainz unbegrflndeter Erinnerung an bestimm~te Persdnlichkeiten eines liingst entschwundenen Alterthums geknflft wird.
Die Schrift, nach der Ansicht einaer Gelehrtenschule in namenlose
Vorzeit hinaufreichend, soil nach der Ansicht einer zweiten Schule
von Kaiser Fhi hi urn 2852 v. Chr. herrifihren, und emn fiirstlicher
1) P aul Per ny, Grammaire de la langu~e chinoise orale et e'crite. Paris.
T. I, 1873. T. II? 1876. Der hier citirte Ausspruch IT, 243, Note I. 2 Perny
II, 263.