Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.

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26. Kapitel.

bisher vielleiclit jede derartige Regel entbehrte, ohne sie zu vermissen,
weil das ausgemessene Land in gleichm~issigen Reclitecken von bekanuter GPbsse bestehend einer FlAchenberechnung niclit bedurfte,
niclit ausgemessenes Land aber semnen Besitzer niclit leiclit Uinderte;
wenigstens wurden nur u-ber Besitzstiicke mit gradlinigen, zu einander
senkrechten Grenzen Flurkarten 6ffentliclien Glaubens angefertigt.
Urn die Zeit, zu weicher unter dem Einflusse des Maclithabers
die Ver~inderung r6mischen Geselimackes stattfand, weiche -nur zu
wenig naclihaltig sich erwies, als dass sie der Mathematik zu Fortschritten lhdtte verhelfen k~nnen, schrieb Marcus Terentius Varro,
der Freund des Cicero, des Pompejus, in spaterer Zeit des C~isar,
dessen Leben nach der wahrscheinlichsten Annahme die Jalire 116
bis 27 v. Clir. erfillIte. In politischen Kreisen spielte er trotz seiner
Beziehungen eine nur selten und wenig hervorragende Rolle. Desto
bedeutender war die literarische Th~itigkeit, der er sich hingab. Er
gebot fiber fast unerschapfliches Arbeitsmaterial, da er nicht nur
Besitzer der grossartigsten Privatbibliothek war, sondern audi von
C~isar einer *dfentlichen Bi-chersammiung vorgesetzt wurde. Wie er
aber dieses Material zu benutzen verstand, beweist seine eigene
Aeusserung 1), nach weicher er am Ende seiner siebziger Jahre
490 Bficher geschrieben hatte, und so kann man wohi dem Urtheile
des Terentianus Maurus, eines Grammatikers aus den Zeiten der
Kaiser Nerva und Trajan, beistimmen, der Yarro den Gelelirtesten
aller Gegenden nannte.' Die erhaltenen Schriften des Yarro beziehen
sich auf Landwirthschaft und auf Grammatik und nehmen mater den
Arbeiten aus diesen beiden Gebieten einen elirenvollen Rang emn.
Um so melir bedauern wir den Verlust grade der Werke, weiche
uns wichtig sein wi-rden 2). Yerloren ist eine Schrift fiber Vermessungen, mensuralia; verloren ist emn Buch Geometrie, in weichem,
nach dem Bericht des Cassiodor, die Gestalt der Erde als eirund angegeben war, emn in so weit verdienstlicher Gedanke als damit in
origineller Weise unter Beibehaltung der runden K~5rpergestalt der
Erde ilire Abweichung von der Kugelform gemuthmasst wurde; verloren ist allem Anscheine nach emn arithmetisches Werk Yarros,
')Aul.'Gellius,.7~octes Atticae III, 10, 17: M. Varro ibi (in primo librorum qu~i inscribuntur Hebdomades vel De imaginibus) addit se quo que jam duodecimam annorum hebdomademt ingressum esse et ad eum diem setugtaebo
madas Zibrorum conscripsisse. 2) G a s t. B o i s s i er, Etude sum la vie et les
ouvrages de M. T. Varron. Paris, 1861. Ueber die wissenschaftlichen Schriften,
weiche zu dem letzten zu gehi~ren scheine-n, was Varro schrieb, vergl. pag. 327
his 331. Siehe audh Te uffel, Geschichte der r~imischen Literatur (III. Auflage) S. 288.