Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.

Die griechische Mathematik in ilirer Entartung. 471
wie der ilerausgeber des Papyrus erkan-nt hat, von dem, Gesichtspunkte leiten, Stammbriiche mit solehen Nennern zu wihlen, die
niclit durch gar zu grosse Untersehiede von einander abwichen. Von
den verschiedeiien m~3glichen Zerlegungen von23 zo g man z. B.
6460
239 1 1 1
6460 -+ +- alien anderen vor, weil 68, 85, 95 ziemlich nahe
640 85 95+ 68
bei einander liegen.
Nach Konstantinopel, wie seit 330 das alte IByzanz hiess,
iloch bevor es die Hauptstadt des besonderen Reiches wurde, weiches
man nach dem iilteren Namen des Kaisersitzes das byzantinische zu
nennen pflegt, hatte Justinian ganz besonders Ruechtsgelehrte, der
Zahi wie der Bedeutung nach ilberwiegend, berufen, aus deren Vereinigung eine Rechtsschule als Mittelpunkt einer dort ans'a'ssigen Gelehrsamkeit entstand. Auch Mathematiker werden uns hier begegnen,
welche aber nur den Eindruck zu verstiirken geeignet sind, den wir
scion erialten haben, dass es in immer rascieren Sprilngen bergab
ging mit der eillstmals so hoch emporgedrungenen griechiscien Wissenschaft, dass dann spiiter fUr die Mathematik wie ffir benacibarte
Kenntnissreihen eine Pause im, Niedergange wieder eintrat, dass aber
auch fMr jene sp'ate Zeit - es handelt sici urn das XIV. S. - den
Byzantinern niclit meir nachgeriffhmt, werden kaun, als emn neuerer
Vertheidiger ilirer Bildung fair sie in Anspruch nimmt 1), namlich
eine erialtende Thiutigkeit ausgeflbt zn haben. Man m~5chte, insbesondere fMr die Zeit vom IX. bis zum XI. S., meinen, es seien die
geistig bedeutenderen Leute gewesein, die in der Fremde ilire Kenutniss der griechiscien Sprache und anderer Idiome dazu. benutzten,
Uebersetzungen der grossen griechischen Mathematiker anazufertigen,
die man zu. Hause niclit meir studirte, jedenfalls in meist unfruchtbarer Weise studirte.
Wir verweilen einen Augenblick bei einer geoditischen Abhandlung, weiche, seit sie 1572 in lateinischer Uebersetzung des
Barocius bekaunat wurde, ffir das Werk eines Heron des Jllngeren
gait, den man wohi in das VII. auci in das VIII. S. zu setzen liebte.
Gegenwiirtig ist der giiechische Text nebst einer franz~6sischen Uebersetzung leiclit zugiinglich2), und fiber Ort und Zeit der Entstehung
ist kaurn ein Zweifel geblieben3). Die Oertlichkeit, auf welche die in
') Demnetrius Bike'las, Die Giriechen des Mittelalters und ihr Einfluss
auf die europa~ische Cultuir (deutsch von W. Wagner), Gfitersloh, 1878.
2) Geodisie de lidon de Byzance ed. Vincent. Notices et extraits des rnanuscrits de la bibliothe'que irnpe'riqle. Paris, 1858. T. XIX, 2. partie. 3) Die abschliessenden Untersuchungen von Th. HI. Martin in seiner halufig angeffibrten
Abliandlung: Becherches su~r la vie et les ouvrages d'IHdron d'Alexandrie.