Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.

212 10. Kapitel. Methode gelit von der geraden Zahl aus; man nimmt niaimlich ei-ne gerade Zahl an und setzt sie gleich einer der beiden Katheten; wird diese halbirt, die llIlfte quadrirt und zu diesem Quadrate die Einheit addirt, so ergibt sich die Hypotenuse; wird aber die Einheit vom Quadrate subtrahirt,7 so erhilit man die andere Kathete. So dienen beide Methoden, die des Pythagoras und die des Platon, einander zur Ergainzung und reclitfertigen gegenseitig die Vermuthungen, welehe wir darftber aussprachen, wie man dieselben gefunden haben mag. Platon erseheinat uns dabei nicht sowohi erfindungsreich, als dass er vorher betretene Wege umsichtig zu gehen wusste. Er muss jedenfalls auf der Hi~he des mathematischen Wissens seiner Zeit gestanden haben, mag ihn im mathematischen Kbnnen dieser oder jener itbertroffen haben. Seine fMr die damalige Zeit grosse mathematische Gelehrsamkeit wird dureli Alles, was wir von ihm wissen, besta~tigt. Wir erinnern uns des reichen fUr die Geschiclite der Mathematik bei den Pythagoriaern von uns ausgenutzten Inhaltes des platonischen Timiaus. Die Zusammensetzung regelmiissiger ebener Figuren aus rechtwinkligen Dreiecken, die Bildung der ffinf regelm~issigen K6rper waren ihm bekannt. Wenn audi Pappus diese letzteren gradezu als solehe bezeichnet, von denen bei Platon die Rede sei 1), so wissen wir doch, dass Platon keineswegs der Erfinder war. Die eigentliche Stereometrie scheint Ubrigens, trotz der Kenntniss der regelmiissigen K~5rper, damals noch reclit im Argen gelegen zu haben.,,Hinsichtlich der Messungen von Allem, was LUnge, Breite und Tiefe hat, legen die Griechen eine in alien Menschen von Natur vorhandene ebenso lacherliche als schmiihliche Unwissenheit an den Tag", sagt Platon2) und fdhlrt in wenig gewiihlter Ausdrucksweise fort, es sei in dieser Beziehunug bestellt,,nicht wie es Menschen, sondern wie es Seliweinen geziemt, und ich schamte mich daher nicht bloss Fiber mich selbst, sonderna fUr alle Griechen". Am weitesten eutwickelt war die Arithmetik. Dass Platon fiber die Proportio-nenlelire, Uiber die Begriffe von Flachenzahlen und Ki~rperzahlen Herr war, wissen wir aus dem Timaus. Wir erinnern -uns auch, dass (S. 154) emn besonderer Fall der pythagor'aischen Satze Uiber geometrische Mittel zwischen Fliicbenzahlen und zwischen Kbrperzahlen als platoniseli genannt wird 3). Wir klfdnnen noch zwei andere Stellen platonischer Schriften anftihren, weiche far seine Kenntnisse in der Arithmetik von Wichtigkeit sind. Im Ph'aidon sagt Platon die ganlze eine H'ailfte der Zahien sei grad, die andere sei ungrad4) In den ') Pappus V, 19 (ed. llultsch) pag. 362. 2) Platon, Gesetze pag. 805. 8)Nicomachus, Eisagoge arithin. II, 24, 0 (ed. Hoche) pag. 129. 4) Platon, Phaedon pag. 104.

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Title
Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.
Author
Cantor, Moritz, 1829-1920.
Canvas
Page 212
Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1894-1908.
Subject terms
Mathematics -- History.

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"Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/aas8778.0001.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed June 19, 2025.
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