Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.

Geschichte der Mathemnatik. Classikerausgaben. Geometrie. Mechanik. 551

matici Euclidis Megarensis. Der Xylander'schen Bearbeitung der ersten
seebs planimetrischen BtIcher sind nicht alIzuviele Verdienste nachzuriihmen. Die Beweise z. B., von welehen Xylander wie seine Vorgainger und wie noch viele Nachfolger annahmen, dass sie gar nicht
dem Euklid angeh~irten, sondern Zusditze des Theon, des Hypsikles,
des Campanus seien, die er untersehiedslos nach einander aufziihlt, hat
er mitunter weggelassen.,M1~fgen auch etwa schwerlich von Ungelehrten
begyriffen werden, undI em inehfliltiger deutscher Liebhabe'r dlieser Kituste
ist wolil zufrieden, so er die Sache versteht, ob er wohl die Demonstration nicht weiss." Statt der Beweise miissen nicht selten Zahienbeispiele dienen, welehe Xylander als semnen Zwecken entsprechender
ansah, und die Beweise und Erkliirungen, die er giebt, sind zum Theil
iiberaus klaglich. Dass auf wirkliche Schwierigkeiten, wie sie z. B.
die Lebre von den Parallellinien oder von den Berilhirungen bietet,
nieht, mit einer Silbe eingegangen ist, erscheint demnach nur als
selbstversta~ndlich. Ungleich wichtiger ist eine Verbffentlichung Xylander's aus dem Jahre 1575, in weleher er keinerici Vorgainger besass, vielmehr einen ungenmein schwierigen Schriftsteller des Alterthums fMr Europa erstmalig lesbar maclite: seine 1lat e i nsch e
Diophautiibersetzung'). Wohi hatte Regiomontanus (S. 263)
Diophant's Arithmetik in Italien gesehen und iliren hohen Wertli
erkanut, wohl hatte 1572 cmn Italiener, B omb elli, der uns als algebraischer Schriftsteller wieder begegnen wird, in Gemeinschaft mit
einemn auderen Gelelirten, Pazzi,2 eine Vaticanhandschrift des Diophant
zu iibersetzeu angefangen und davon sowie von dem naclimaligen
Scheitern ihres Unternehmens in einer Vorrede von 1572 Mittheilung
gcnuiacht 3), aber Xylander's Bemiihulngen waren davon ganz unabhingig, und, was die llanptsache ist, sie waren erfoigreich. Auf
elner Reise nach Wittenberg wurde Xylander von dortigen Professoren
auf den griechischen Aritlimetiker aufmerksam gemacht, indem er bei
ihnen die Abselirift eines Bruchstiickes zu sehen bekam. Emn geWisser Andreas Dudicius Sbardcllatus, Gesandter des r~imischen Kaisers
ani polnischen ilofe,2 wurde ilim als Besitzer eines vollstiindigen Codex
genaunt. An diesen wandte sich Xylander, erhielt ohne Verzug die
llandschrift mit der dringenden Ermunterung zur Herausgabe und
volizog die Uebersetzung, weiche 1575 in Basel die Presse verliess.
Thu griechischer Text war allerdiags nicht mit abgedruckt, mancherlii
Fehier der Uebersetzung sind spiier nacligewiesen worden, allein das
')Ncsselmann, Algebra der Griechen S. 279-280. ')VergI. S. 4 der
nieht paginirten Vorrede A91i Lettori in der Algebra von Rafael Bomrb ellii
(Ve-nedig 1572).