Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.

176 W. Kapitel. liehe Facliwissensehaften waren noch niclit so hoch entwickelt, Uur eine besondere Lebensaufgabe des Einzelnen bilden zu miissen. Wer leliren wollte, war bereit Alles zu lehren und musste urn so mehr dazu bereit sein, naclidem (S. 141) die Ueberzahl der Lehrer in Wieii den uns heute so unm~iglich sebeinenden Ausweg betreten liess, dass am Jaliresanfang dureli Verlosung die Reihienfolge bestimmt wurde, nach weleher die Professoren Gegenstand und Stunde der Vorlesung sich wiihlen durften. Wer spiit zur Wahl kam, musste ill beide-ii Beziehungen mit dem vorlieb nehmen, was die Vorgiinger verschmiiht hatten. Vor und nach Johannes von Gemunlden linden wir daher Niclitmathematiker mit mathematischen, Mathematiker mit nichtmathemnatiseben Vorlesungen betraut, wenn wir unseren eigenen Aeusserungeii entgegen diese Bezeichnungen beibehalten dllrfen. Mathematiker neniien wir niclit solehe Persbniliehkeiten einer friihen Zeit, welche aussehliesslich der Mathematik ihr 6ffentliehes Leben widmeten, denn solehe gab es niebt, sondern Miinner, deren Spuren die Geschiehte erhalten hat; von wem derartige Spuren nieht vorhanden sind, der ist ffur utis Nichtmathematiker gewesen. Johannes von Gemunden selbst beganin mit phulosophischen Vorlesungen, wie z. B. mit einer Vorlesung -De sensu et sensato. Im Jahre 1412 lehrte er den Algorismus de in tegris, 1414 Perspectiva communis, 1416 und 1417 Algorismus de mninutiis. Seit 1420 las er fiber die versehiedensten mathematiseheii Gegenstiinde, aber ausschliesslich fiber solehe,2 bald fiber die Elemente Euklid's und die Sphaera materialis, bald fiber die Theoriae planetarum, bald fiber den Gebrauch des Astrolabiums, welehe letztere Vor lesung er zuerst in Wien einftihrte. Es mag wohi allmiihig die Gewohuheit sich herausgestellt haben, ihm, zu weichem Augeublieke auch die Reihe ilin traf, denjenigen Gegenstand freizuhalten, den er gerade vorzutragen wiinscbte, und damit war; der allm~fhge, Uebergaing von der Professur in der Artistenfacultiit ilberhaupt zur Faehprofessur der Mathematik in Wien angebahnt. Allerdings setzte eine solehe JRtiksichtnahme auf persoinliche Wiinsche des Einzelneu eine hobe Achtung voraus, in weleher er selbst und seine Lehrth~itigkeit bei deni Mitprofessoren stehen musste. Dass dem bei Johannes von GemuWl den so war, wird auch dadurch bestiitigt, dass man jim 1418 gestattete, wahrend einer Unpiisslichkeit von I~ngerer Dauer seine Voi'lesungen im eigenen ilause zu halten, was gegen alle Regel war. Er setzte seine erspriessliche Th~tigkeit bis zu seinem am 23. Fehriiar 1442 erfolgenden Tode fort. Seine BU-cher und Instrumente hatte e"X unter dem Vorbehalte sie lebenshIinglich frei benutzen zu dfirfe,11 schon 14350 der Universitit gescienkt. Die Bilcier sollten ili der Bibliothek gesondert aufgestellt und gegen Entriebtung eines ini die

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Title
Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor.
Author
Cantor, Moritz, 1829-1920.
Canvas
Page 163
Publication
Leipzig,: B. G. Teubner,
1894-1908.
Subject terms
Mathematics -- History.

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"Vorlesungen über geschichte der mathematik, von Moritz Cantor." In the digital collection University of Michigan Historical Math Collection. https://name.umdl.umich.edu/aas8778.0002.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed June 23, 2025.
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