Österreichische Zeitschrift für Volkskunde.

Die Darstellung der Spielzeugkiihe im Aostatal ist so ziemlich die gleiche wie in Wallis: ein zuweilen mit Kerbschnitt verziertes Aststick, dessen vordere Gabelung sichelformig zugeschnitzt ist. (Taf. I, Fig. 4.) In einigen entlegenen Seitentalern von Aosta, wie zum Beispiel Valgrisenche oder Val de Rhemes, spielen die Kinder oft mit ganz unbearbeiteten gegabelten Zweigstiicken von Alpenrosenholz. (Taf. I, Fig. 3.) Die die H6rper darstellende vordere Gabelung des Astes genigt der kindlichen Phantasie vollstandig, um im Aststiick eine Kuh zu erblicken.1) So hatte beispielsweise ein achtjahriger Knabe in Valgrisenche eine zirka 130 Stuck zahlende Kollektion von Spielzeugkfihen aus ganzlich unbearbeiteten Zweigstiicken von Alpenrosenholz. Jedes Zweigstiick war aber fur den Kleinen von gewisser Bedeutung, denn jedes stellte eine bestimmte Kuh dar, die ihren Namen auf der Basis des Zweiges eingezeichnet trug. Als neuen Typus der primitiven Spielzeugtiere fand ich die.gleichfalls in Valgrisenche iibliche Darstellung eines Huhnes. Die Herstellung des Spielzeuges beruht eigentlich auf dem gleichen Prinzip wie bei den bisher geschilderten. Es ist immer die Astgabelung, die dem Schnitzer die Idee eines Tieres suggeriert. Wahrend aber bei der Kuh die Astgabelung nur die Horner bezeichnet, stellt sie beim Huhn den ganzen Vogel dar. Bemerkenswert ist bei diesem Spielzeug die wirklich geistreiche Ausniitzung des Materials: die eine Astgabel stellt den Schwanz, die andere den Kopf, die Verbindung der beiden gegabelten AststUcke miteinander den Rumpf des Huhnes dar. (Taf. I, Fig. 7.) Wenn auch in dieser Abhandlung ausschlie1lich von primitiven Spielzeugtieren die Rede sein soll, so m6chte ich dennoch den Hirten, wie man ihn in Wallis und im Aostatal noch darzustellen pflegt, nicht unerwihnt lassen. Denn auch er ist, wie die ihm anvertraute Herde, nur ein Aststitck mit dreifacher oder vierfacher Gabelung. Auf diese wird er gestellt und gleicht dann, wie Rtitimeyer bei Beschreibung derartiger Hirten aus dem Wallis bemerkt, den Idolen gewisser Naturvolker.2) (Taf. I, Fig. 8.) Im Aostatal wird das den Hirten bildende Aststiick zuweilen mit einem Kopf versehen, der trotz der ganz rohen Ausfiihrung recht ausdrucksvoll ist. D e r z w e i t e T y p u s der schematisch dargestellten Spielzeugtiere ist eigentlich ebenso urspriinglich und einfach wie der erste. Es sind zylindrische, unten etwas abgeflachte, vorne und hinten gerade abgeschnittene Aststuicke, vorwiegend von Tannenholz. Der Unterschied gegeniiber den zuvor geschilderten Spielzeugtieren besteht hauptsachlich in der Darstellung der Horner, die hier nicht durch vordere Zweiggabelung, sondern durch seitliche Aststummel gebildet werden, die entweder gar nicht bearbeitet oder nur zugespitzt sind. (Taf. I, Fig. 9-15.) Zum Zeichen, dat es sich um Fleckvieh handelt, wird die das Spielzeug bedeckende Flache mit geometrischen, vorwiegend mit sternformigen Motiven verziert. 1) In einigen Seitentalern von Aosta heifien diese primitiven Spielzeugkiihe,cornaillec (etwa die sH6rnigenc oder die,Geh6rntenc. Es werden also auch bei der Benennung der Spielzeugkuh ganz besonders die Horner betont). 2) L. Ratimeyer, Uber einige archaistische Geratschaften und Gebrauche in Wallis u. s. w., S. 53.

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Österreichische Zeitschrift für Volkskunde.
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Wien.
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