Österreichische Zeitschrift für Volkskunde.

2. Die Eigentumlichkeiten der geschilderten Typen der Spielzeugtiere. Bei den meisten bisher geschilderten Spielzeugtieren konnte man gewisse Einzelheiten beobachten, die sich durch das Bestreben, das Tierschema realistischer zu gestalten, erkliren lassen. Diese Einzelheiten sind entweder rein auferlicher Natur, wie Fellzeichnung, Kriuselung des Felles auf der Stirn, Glockenband, Benagelung und anderes mehr, oder aber sie stellen gewisse anatomische Merkmale, wie Rickgrat, Becken, Euter, Milchadern dar. Fiur uns bleibt das Spielzeugtier, trotz aller dieser, allerdings ganz schematisch ausgefuhrten Einzelheiten, nur ein Tierschema. Fir das Kind jedoch scheint das Spielzeugtier durch diese kleinen Zutaten an Naturtreue betrachtlich zu gewinnen. Dies m6ge folgendes Beispiel veranschaulichen: Als ich im Evolenatal zum erstenmal ein Kind mit gegabelten AststUcken spielen sah, erkundigte ich mich bei ihm nach deren Bedeutung. Ganz erstaunt dartiber, dab ich so etwas Selbstverstandliches nicht weifi, antwortete mir die Kleine: ~Na, Ktihe sind es, jede hat doch ein Glockenband<. Dafi aber die Kihe keine Beine und auch sonst keine Merkmale einer Kuh hatten, kam absolut nicht in Betracht. Sie hatten Horner und Glockenband, also waren es KUhe. Das letztere Detail scheint wesentlich zu sein, denn selbst bei den primitivsten Darstellungen der Spielzeugkuh ist das Glockenband im Kerbschnitt angedeutet. (Taf. I, Fig. 1, 2, 4, 11, 12.) Das Glockenband wird gew6hnlich durch einen einfachen, bandartigen Ausschnitt hinter den H6rnern bezeichnet; in einzelnen Gegenden, wie zum Beispiel in Vals und insbesondere in Vrin (BUndner Oberland) pflegt man diesen Ausschnitt mit dem in der Volkskunst so beliebten, uralten Zickzackoder Wolfszahnornament zu verzieren. (Taf. I, Fig. 19, 21, 23.) Das gleiche Ornament, sowie auch der sechsstrahlige Stern, werden bei der den Rucken des Spielzeugtieres bedeckenden und die Fellzeichnung darstellenden Kerbschnittverzierung verwendet; bei dieser herrscht jedoch als Hauptmotiv das verschieden angeordnete Malteser Kreuz. (Taf. I, Fig. 18-22). Nur selten tritt ein pflanzliches Motiv auf; so zum Beispiel bei einer Spielzeugkuh aus Wiesen, die auch im ibrigen von den geschilderten Typen etwas abweicht. DaIf es sich bei dieser Kuh um Fleckvieh handelt, wird durch eine ihren Ricken bedeckende stilisierte Tulpe angedeutet. (Taf. I, Fig. 23.) Diese der Wirklichkeit nicht adiquate, in ihren Hauptziigen geometrische Darstellung der Fellzeichnung erh6ht wesentlich den schematischen Charakter der Spielzeugtiere. Gleichfalls rein ornamental wirkt eine Einzelheit, die ich nur bei den Spielzeugtieren aus Vrin beobachtet habe und die, nach Angabe der Bauern, die Kriuselung des Felles auf der Stirn bedeutet. Diese Krauselung wird durch eine Auszackung des oberen Randes der die Hornerbasen miteinander verbindenden Korperpartie dargestellt. (Taf. I, Fig. 19-22.) Eine ahnliche Auszackung ist bei den Spielzeugkiihen auch auf dem analen KOrperende angebracht, und zwar auf dem hinteren Rande der Bauchflache. (Fig. 1, 1 —2b.) Nach den Aussagen der Einheimischen wird durch diese Auszackung das E u t e r bezeichnet.

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Österreichische Zeitschrift für Volkskunde.
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