Österreichische Zeitschrift für Volkskunde.

Twardowski, der polnische Faust. Die schriftliche Ueberlieferung der Sage ist recht mangelhaft. Es existiert kein Volksbuch aus friiheren Jahrhunderten, das im Geiste der Zeit niedergeschrieben ware und die Sage fristete ihr Dasein jahrhundertelang nur in miindlicher Tradition. Erst im 19. Jahrhundert ist sie, teilweise sehr unvollkommen, schriftlich niedergelegt und auch diehterisch behandelt worden.l) Die Darstellung der Sage von Wojcicki2) wird allgemein als die genaueste und sorgfaltigste betrachtet und deshalb soll sie hier etwas verkurzt wiedergegeben werden. Twardowski war ein Edelmann vaterlicher- wie miitterlicherseits. Schon friihzeitig hatte er sich den Wissenschaften gewidmet, mit rastlosem Eifer das Studium der Medizin, der Philosophie, der Physik und Magie betrieben und schlieBlich das Doktordiplom der Medizin an der Krakauer Universitit erworben. Der Ruf von seinen Wunderkuren verbreitete sich sehr schnell und es dauerte nicht lange, so gait er als einer der beriihmtesten Aerzte in Polen. Ebenso schnell wuchs aber auch der Glaube an seine Kenntnisse des Uebernatiirlichen und an seinen Umgang mit der Geisterwelt, welcher noch durch die geheimnisvolle Lebensweise Twardowskis gesteigert wurde. Denn kein menschlicher FuB durfte die Schwelle seines Hauses iiberschreiten, mit Ausnahme eines Studenten, den er sich zum Famulus erwahlt hatte. Nach vielen rastlosen Bemiihungen fand er endlich in einemlalten Zauberbuch,wie man den Teufel herautbeschworen konne. In einer sturmischen Herbstnacht verlief3 er nun Krakau und begab sich nach Podgorze, wo er denTeufel zu beschworen begann. Dieser erschien auch bald mit Dreispitz, Frack und Schnallenschuhen. Twardowski verlangte nun von ihm Macht, Reichtum, Ruhm und schleunigste Erfiillung all seiner Befehle. Der Teufel sollte dafiir Anrecht auf Seele und Leib Twardowskis erhalten, sobald er ihn in Rom ergreifen konnte. Als die Einigung erzielt war, lehnte sich der Teufel an eine Felswand und schrieb auf seinen Knien das Chyrograph, welches auch Twardowski mit seinem Blute unterschrieb. Von nun an gab es fair den Teufel viel zu schaffen. Erstens muBte er Twardowski alles Silber aus ganz Polen zusammenholen und es mit groBen Sandschichten bedecken. An dieser Stelle entstanden nach dem Volksglauben die Silbergruben von Olkusz, einer durch den Reichtum ihrer Minen berihmten,jetzt fast nur aus Ruinen bestehenden Stadt der ehemaligen Woiwodschaft Krakau. Zweitens multe der Teufel einen hohen Berg auf den Sandsteinfelsen setzen, und zwar so, daB das breite Ende nach oben, die Spitze aber nach unten gerichtet war. Der Berg heiBt bis auf den heutigen Tag Falkenfels. 1) Von poetischen Bearbeitungen kommt vor alien die Ballade von Adam Mickiewicz,,Pani Twardowska" in Betracht (bereits 1874 ins Deutsche ubertragen). Auch das Gedicht von F. W. Weber:,Doktor Twardowski' sowie die Ballade von J. N. Vogl:,Twardowski" mogen da angefiihrt werden. 2) K. W. Wojcicki:,Polnische Volkssagen und Marchen", Berlin, S. 77 bis 82.

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Österreichische Zeitschrift für Volkskunde.
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