Die Kildare-gedichte; die ältesten mittelenglischen denkmäler in anglo-irischer überlieferung von Dr. W. Heuser ...

Seitenstück. Die verschlungene zehnzeilige Strophe hat die Reimstellung aaabababab, wobei zu beachten ist, daß im 7. und 9. Verse gewöhnlich noch leoninischer Reim auftritt. Der Dichter gebrauchte also in jeder Strophe nicht weniger als acht a-Reime neben vier b-Reimen. Die a-Verse sind viertaktig, die b-Verse dreitaktig, ein a-Vers mit dem folgenden b-Verse zusammen bildet demnach einen regelrechten Septenar. Die Strophe unseres Dichters stellt sich damit als eine Abart der wohl|bekannten altertümlichen vierzeiligen Strophe von Langversen mit durchgehendem Reime heraus und ist daraus hervor|gegangen durch eingeflochtenen Reim und Erweiterung des ersten Septenars (a + b zu aaa + b). Lassen wir die beiden ersten a-Verse weg und sehen wir von dem eingeflochtenen Reim ab, so ist das ursprüngliche vierzeilige Schema wieder hergestellt. Schipper's Ansicht, welcher die Strophe Michael's als eine Er|weiterung der Schweifreimstrophe auffaßt (Engl. Metrik I, 381), kann ich nicht teilen. Die dazu vorausgesetzte Art der Schweif|reimstrophe mit der Reimstellung aaabab ist selbst schon zu selten und wird schwerlich noch weitere Variationen hervor|gerufen haben, während andererseits die Zurückführung auf die beliebten Vier-Zeiler mit durchgehendem Reim keine Schwierigkeit bietet. — Immerhin stellte eine solche Strophe mit ihrer großen Zahl gleicher Reime nicht unbedeutende An|forderungen an das technische Können eines Dichters. Bruder Michael hat die nicht leichte Aufgabe recht glücklich gelöst und zugleich bewiesen, daß er mit dem Wohllaut der Form warme Empfindung und gedankenreichen Inhalt zu vereinen wußte. Sein Thema [Das Gedicht ist keine Hymne auf Jesus, wie Brandl, Grdr. II, 640 meint, obgleich es mit der üblichen Anrufung Jesu beginnt.] war ja das immer wiederkehrende, das sich auch mit den Reimpredigten unseres Ms. eng berührt: Die Vergänglichkeit irdischen Gutes und Glückes und die Mahnung zu rechtzeitiger Umkehr, die er besonders dem Reichen zuruft. Auffallend ist der Reichtum der Sprache an lebhaft geschauten und z. T. länger ausgeführten Bildern, die sich von den typischen Vergleichen anderer me. Dichter vorteilhaft abheben und das ganze Gedicht fast von Strophe zu Strophe durchziehen. So wenn er den Reichen mahnt, daß der Bogen für ihn gespannt ist und das Feuer angezündet,
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Title
Die Kildare-gedichte; die ältesten mittelenglischen denkmäler in anglo-irischer überlieferung von Dr. W. Heuser ...
Author
Heuser, Wilhelm
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Page 80
Publication
Bonn,: P. Hanstein,
1904.

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"Die Kildare-gedichte; die ältesten mittelenglischen denkmäler in anglo-irischer überlieferung von Dr. W. Heuser ..." In the digital collection Corpus of Middle English Prose and Verse. https://name.umdl.umich.edu/ajt2514.0001.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed May 8, 2025.
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