Die Kildare-gedichte; die ältesten mittelenglischen denkmäler in anglo-irischer überlieferung von Dr. W. Heuser ...

zu Tage tritt, fehlt ganz, aber von der naiven Freude am Komisch-Wunderbaren, welche diesen Märchenstoff seit seinem ersten Auftauchen in der indischen Sage und der griechischen Dichtung kennzeichnet, ist ein gutes Stück vorhanden. Selbst die übermütige Satire auf Mönche und Nonnen, die erst der englische Dichter hineingeflochten hat, wirkt in dieser Um|gebung von erdachten Wunderbarkeiten und ergötzlichen Un|möglichkeiten weniger abstoßend. Sie ist jedenfalls bezeichnend für das Milieu, in dem der Verfasser lebte und wirkte und das ihn auch beim Dichten nicht losließ. Er war wohl ein Mitglied des geistlichen Standes, ein Goliarde oder fahrender Schüler, der mit kühnem Sprunge seinen eigenen Interessenkreis und zugleich den der Zuhörer in den heiteren Märchenstoff hinein|trug, so wenig er dort auch hineingehörte. Man bedenke, daß von 190 Versen nur 50 auf den überlieferten Stoff entfallen und der ganze Rest, also fast dreimal soviel, der Schilderung des Klosterlebens gewidmet wird. Direkt im Anschluß an die ausgemalten Genüsse desselben wünscht der Dichter seinen Zuhörern, daß auch sie in dies gelobte Land kommen möchten, die auferlegte Bedingung wird als penance bezeichnet, das Ganze mit: Amcn pur seint charite geschlossen. Das sieht nicht aus wie der Vortrag eines Spielmanns. Für einen Spiel|mann scheinen mir auch die bei der Aufzählung der Gewürze und der edlen Steine gebrauchten Wörter reichlich gelehrt. Zwar werden die Zuhörer scherzhaft mit Lordinges angeredet, doch von einem Spielmann, der vor edlen Herren vom Schlaraffen|land sang, hätte man selbst in dem klösterreichen Kildare etwas anderes verlangt, als die Ausnutzung von Gegenstand und Gelegenheit zu einer Satire gegen das Mönchswesen. Diese Satire aber, die der Spielmannsdichtung ferner lag, war der immer wiederkehrende Gegenstand der Goliardendichtung im 14. Jahrhundert und steht, wie oben bemerkt, in enger Beziehung zu anderen Stücken unseres Ms., deren Herkunft nicht zweifel|haft sein kann. Es scheint mir nicht nötig anzunehmen, daß das Gedicht tatsächliche Übelstände wiederspiegelte und geißeln wollte. Unser Ms. fällt noch in die aufsteigende Linie der Franziskanerbewegung und nicht in den Niedergang, der sich im Laufe des 14. Jahrhunderts vollzog. Ich kann die Ein|leitung nicht besser schließen als mit der Bemerkung Dr. Furnivall's (E. E. P. Preface IV), der das Gedicht
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Title
Die Kildare-gedichte; die ältesten mittelenglischen denkmäler in anglo-irischer überlieferung von Dr. W. Heuser ...
Author
Heuser, Wilhelm
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Publication
Bonn,: P. Hanstein,
1904.

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"Die Kildare-gedichte; die ältesten mittelenglischen denkmäler in anglo-irischer überlieferung von Dr. W. Heuser ..." In the digital collection Corpus of Middle English Prose and Verse. https://name.umdl.umich.edu/ajt2514.0001.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed May 8, 2025.
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