The desert of religion / [ed. Walter Hübner].

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Title
The desert of religion / [ed. Walter Hübner].
Author
Hübner, Walter.
Publication
Braunschweig: George Westermann
1911
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"The desert of religion / [ed. Walter Hübner]." In the digital collection Corpus of Middle English Prose and Verse. https://name.umdl.umich.edu/CME00075. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed May 21, 2025.

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The desert of religion.

II. Handschriftenkritik. Reim und Sprache. Zur Quellenkunde.

Die Handschriftenkritik ergibt zunächst, dass keine der drei Handschriften aus einer anderen geflossen ist; denn in jeder be∣gegnen einzelne Fehler, wofür die anderen das Richtige geben. Am reichsten an Fehlern ist S, die wenigsten Fehler stehen in A.

Ferner lässt sich zeigen, dass C und S auf einer gemein∣samen Vorlage β beruhen; denn sie teilen folgende Fehler: er statt is 228, Vers f. 521-22, 535 (ungeschickt ergänzt C), lys statt blys und dann selbständig nachgebessert in C und S 718, presand(e) statt tretis und dazu im nächsten Vers eine banale Phrase mit hand statt englis 917-18. Vielleicht hat an letzterer Stelle ein national gesinnter Schotte an englis Anstand genommen und daher geändert, obwohl die germanischen Schotten bekanntlich bis Lindsay ihre Sprache als 'Inglis' bezeichneten.—Ein Fehler wie in statt the 118 in A und C konnte leicht auch zwei Schrei∣bern unabhängig voneinander passieren, weil in im Vers unmittel∣bar darüberstand.

Stammbaum der Handschriften:

[figure] family tree of manuscripts

Danach musste A dem Texte zugrunde gelegt werden.

Die Reime des Dichters leiden an mancherlei Unreinheit. Verschiedene Nasale werden miteinander gebunden—tyme: dwyne 85, sprynges: begynnes 166,: synnes 675. Von zwei Kon∣sonanten braucht nur der erste zu reimen—braunches: distaunces 249, buriounes: confundes 261. Vielleicht gehört hierher auch die Vernachlässigung des w in felose: dose 10, feelus, folows: vertus 776, groves: boghes 41 u. ö. Dagegen haben wir es mit Doppel∣formen zu tun bei neste vom nördlichen Positiv nee: breste 308 und next: text 740. Eine Reihe Reime mit bloss scheinbaren Konsonanten-Unreinheiten braucht uns hier nicht aufzuhalten.

In vokalischer Hinsicht ist quantitative Unreinheit fest∣zustellen bei sees: bestees 35, hald: cald 21 u. ö., dose: felose 9, herer: er 545, sonn: contemplacioun 743, place: wase 927, während in ten (: men) 433 wohl schon Kürzung, in wende (: fende) 13 vielleicht Dehnung eingetreten war. Qualitative Unreinheit in

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Vokalen liegt vor bei swete: ette 167, 431, bene: clene 625, for∣gefe: forgrefe 403, vielleicht in groves: boghes 41 u. ö. In marred: werld 291, 681 u. dgl. ist natürlich älteres merred und die berech∣tigte Doppelform werd einzusetzen.

Dialektische Reime. Was Vokale betrifft, ist ags. ae niemals in südlicher Weise auf e gebunden—was: pas 66,: place 928, hase: solace 402. Langes a ist in nördlicher Art durchaus bewahrt: 21 = 784 = 846 = 860, 154, 213 = 447, 449, 502, 533, 603 = 912, 643. Immer ist ags. y, ŷ in anglischer Weise entrundet: 311, 456, 553 = 676 = 706 = 841, 785, 787; 89 = 183, 639, 662, 672. Für ags. êa oder an. œ̂ + j steht in nördlicher Art ee—hee: tre 684, 894, sle: tre 428. Dehnung des i, u in offener Silbe ist häufig—lyfes: grefes 151, -schepe: kepe 334, 440, 883; lofe: profe 754, 877. Dass ws. œ̂, ang. ê bald mit offenem e (122, 667, 772, 794, 929), bald mit geschlossenem (278, 297, 730, 879, 856) gefügt wird, fällt bei der Gleichgültigkeit unseres Reimers gegen diese beiden Laute nicht ins Gewicht. Sehr charakteristisch aber für den Norden ist die Bindung von ô: ü—dose: vertuse 189,: use 563.

Die Konsonanten erfahren vielfach ausgesprochen nördliche Behandlung. So ist in wirke (: irke) 311 die gutturale Tenuis be∣wahrt, in ta (: ga) 214 und mase (: slase) 533 gefallen. Für ags. dêaþ erscheint dede (: red) 121. Häufig reimt auslautendes s: sh—flesh: -nes 7 u. ö., englis: tretis 918.—Dass in der Ableitung ags. -lice der Geräuschlaut bereits regelmässig gefallen ist (100, 149, 196, 373, 441 u. ö.), spricht gegen eine zu hohe Hinaufrückung des Gedichtes ins 14. Jahrhundert.

Von unbetonten Vokalen sind die der Bildungssuffixe gut bewahrt, z. B. certayne: in vayne 437, batayles: awayles 702, was uns verhindern wird, das Gedicht ins 15. Jahrhundert hinab∣zurücken. Der unsicherste Suffixreim ist wohl feelus, folows: vertus 776. Die Flexions-e sind sehr häufig vom Dichter ignoriert, z. B. 13, 21, 65 u. ö., wozu auch der Rhythmus des Versinnern stimmt.

Flexion. Das Verb flektiert fast ausschliesslich nördlich. 2. Sing. sees: degrees 163, 203, 732; vgl. auch gase: hase 3. Sing. 447.—3. Sing. auf -es ist häufig: 83, 173, 186, 295, 415, 447, 486, 495, 550, 554, 564, 675, 770, 776, 794. Verb. subst. lautet immer -es: 25, 103 usw.; nur einmal is: blys 536.—Plur. endet auf -es, wie 9, 35 (Sing.?) usw. Nach pronominalem Subjekt jedoch fehlt stets die Endung: 81, 108 usw., ausser in we . . . ledes 772, wo so viele Wörter zwischen Subjekt und Verb standen, dass die Art des Subjekts leicht vergessen werden konnte. Vom verb. subst. zeigt der Plur. die nördliche Analogieform ere: dere 512.—Der Konjunktiv bewahrt im Plur. noch sein n—bene: clene 625; vgl. auch 24, 146.—Infinitiv stets ohne n ausser to bene: schene

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628; natürlich immer ohne -i-: 376, 511, 787, 909; auch ohne die südlichen Scheideformen segge 2, 140, habbe 236, 857, 873. Be∣merkenswert ist der Infinitiv grewe für ae. grôwan, der sich wohl aus der an. Konjugation 1. grô, 2. grœ̂r, 3. grœ̂r erklärt: 429, 452, 469. Natürlich nördl. gange 265.—St. Part. Perf. stets auf n: sene 23, 145, 473, 818, done 198. Schwach erscheint gett: sett 476.—Part. Präs. immer auf -and 398, 750, 836, 843, 900, 904, ausgenommen in tyme coming: to gode lyfeyng 931, wo Entlehnung aus der südlichen Kirchensprache vorliegen dürfte.

Eine nördliche Pronominalform liegt vor in þir: spyr 788.

Danach ist es kaum mehr nötig, auf die besonders zahl∣reichen altnordischen Elemente des Wortschatzes zu verweisen, um den nördlichen Charakter des Denkmals zu sichern. Wenn lawes 543 von afrz. laver kommt, dürfte der Reim auf knawes sogar mit einiger Wahrscheinlichkeit auf Schottland als Heimat des Dichters deuten; doch gibt die Stelle auch guten Sinn, wenn man das Wort von an. lâgr herleitet und mit 'sich verdemütigen' übersetzt.

K. Schreiner.

Der Dichter nennt v. 919 bokes sere als die Quellen seines Verstraktates; wir dürfen also annehmen, dass wir es mit einer Originaldichtung zu tun haben, die nach mehreren religiösen Schriften kompiliert ist.

Der geistliche Verfasser—a haly man nennt er sich v. 925—trägt seine Bibelkenntnis nicht ungern zur Schau. Dreimal zitiert er Vulgatastellen: im Anfang Elongavi fugiens et mansi in soli∣tudine, Psalm LIV, 8, auf Davids Aufenthalt in der idumäischen Wüste bezüglich; v. 18 Ductus est Jesus in desertum a spiritu, ut temptaretur a diabolo, Matth. IV, 1; v. 898 Invenit eum in terra deserta, in loco horroris et v[astae] s[olitudinis], Deuteronomium XXX, 10, aus Mosis Lied von der Erhöhung des in der Wüste aufgefundenen Jakob. Auch sonst fehlt es nicht an Hinweisen auf Bibelstellen ohne die Anführung des Wortlautes: v. 81 = Ps. I, 3; v. 462 = Numeri XIV, 33-34; v. 517 (Baum des Lebens) = Genesis VI.

Nach der Art mittelalterlicher Dichter, die bekanntlich den Schein der Originalität meiden, beruft sich der Dichter häufig auf seine Quellen in meist formelhaften Wendungen: 201 as clerkes in bokes cane rede, 223 als þe boke telles, 419 als in boke is founden, 481 f. Þis philozophurs, þat ar wyse, Of þaim spekes apon þis wyse, 514 Als telles þe boke of pryuete, 770 als scripture telles. Derartige Anspielungen sind so unbestimmt, dass man nur durch Zufall aus der grossen kirchlichen Literatur die Vorlage des Dich∣ters herausfinden könnte. Auch die in v. 287 angezogene Stelle aus Augustins Predigten habe ich nicht feststellen können.

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An einem Beispiel jedoch können wir sehen, wie eng der Verfasser sich manchmal an seine Vorlage angeschlossen hat. Im v. 790 wird der heilige Thomas erwähnt, der, wie uns Jacobus a Voragine in der 'Legenda aurea' (ed. Graesse, Dresdae et Lipsiae 1843, p. 33) berichtet, von Gott selbst den Auftrag erhalten hat, zu den Indern zu gehen. Die v. 775 ff. aufgezählten zwölf Grade der Tugenden finden sich in einer Predigt dieses Heiligen, a. a. O. S. 36: Tunc apostolus coepit eos docere et duodecim gradus vir∣tutum assignare. Primus est, ut in Deum crederent, qui est unus in essentia et trinus in personis, deditque iis triplex exemplum sensibile, quomodo sint in una essentia tres personae. ... Secundus gradus est, ut baptismum acciperent. Tertius est, ut se a forni∣catione continerent. Quartus, ut se ab avaritia temperarent. Quin∣tus, ut gulam restringerent. Sextus, ut poenitentiam tenerent. Septimus, ut in his perseverarent. Octavus, ut hospitalitatem amarent. Nonus, ut voluntatem Dei in faciendis quaererent et ea ope complerent. Decimus, ut eam in non faciendis quaererent et ea vitarent. Undecimus, ut caritatem amicis et inimicis impenderent. Duodecimus, ut in custodiendis his vigilem curam haberent.

Das Interessanteste an unserem Gedicht ist die Kühnheit, mit der Bilder herangezogen und symbolisch gedeutet werden. Das Bild einer Wüste stellt den Rahmen dar, der die einzelnen Kapitel zusammenhält, und jeder Baum in dieser Wüste wird in einem besonderen Abschnitt erklärt. Da die menschliche Natur Tugenden und Laster aufweist, so müssen auch die Bäume gut oder schlecht sein; der Dichter kennt das Bibelwort Luc. VI, 13: Non potest arbor bona malos fructus facere, neque arbor mala bonos fructus facere.

Die Mystik liebte solche Allegorien, da sie ihr ein Mittel zur Wirkung auf das Gemüt, zur Erweckung von Empfindungen an die Hand gaben. Schon Rabanus Maurus stellte in einer beson∣deren Schrift die 'Allegoriae in universam sacram scripturam' zu∣sammen, da er sie für einen der wertvollsten Bestandteile der biblischen Sprache hielt. In dem Vorwort—vgl. Patrologia ed. Migne CXII p. 849 f.—heisst es: Quisquis ad sacrae Scripturae notitiam desiderat pervenire, prius diligenter consideret quando historice, quando allegorice, quando anagogice, quando tropologice suam narrationem contexat ... Allegoria vero aliquid in se plus continet, quod per hoc quod locus de rei veritate ad quiddam dat intelligendum de fidei puritate, et sanctae Ecclesiae mysteria, sive praesentia, sive futura, aliud dicens, aliud significans, semper autem figmentis et velatis ostendit ... Dum enim haec, de qua loquimur, sacra Scriptura verba historiae simpliciter narrat, quasi inchoando fundamentum aedifici jactat, et dum per allegoriae exercitium fidei mysteria pandit, fabricam mentis in amorem veritatis extollit dum vero per anagogiae sublimitatem

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de aeternis supernae patriae gaudiis disserit, quodammodo tectum superponit: dum autem mysticum in tropologia, intellectum per contemplationum investigat exercitium, de quo loquimur, spirituale aedificium diversis virtutibus, tam iis quae intus ad Dominum quam quae extra pertinent ad proximum. In der Abhandlung selbst umschreibt Rabanus die für uns hauptsächlich in Betracht kommenden Bilder unter Heranziehung von Belegen aus der Bibel folgendermassen: arbor = Christus, crux, humilis Dei scientia, fides robusta, bona voluntas, voluntas mala, perfectus quilibet in fide, humana natura, tota simul reproborum massa, hic mundus, haeredici; desertum = ... multitudo impiorum, mens prava, mens sancta, sancta conversatio, daemones; solitudo = gentilitas, quies mentis—hier wird Psalm LIV, 8 zitiert: Et mansi in solitudine, id est, perseveravi in interna mentis quiete—; ligna = ... vir∣tutes spirituales, operationes bonae.

In der späteren Patristik finden wir ähnliche Auslegungen der Allegorien, die zum Teil geradezu als festgelegte Formeln erscheinen. Garner, ein Pariser Kanonikus aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts, schrieb ein 'Gregorianum, hoc est allegoricae omnium pene rerum in Bibliis contentarum explanationes promptae ex universis D. Gregorii papae scriptis'; vgl. Patrologia ed. Migne CXCIII. Er erklärt p. 288 desertum mit cor fidelium vel multi∣tudo immundorum spirituum, (269) haeredicorum dogmata vel vitae temporalis commoda; solitudo wird umschrieben mit quies mentis (269), gentilitas (270), separatio ab Ecclesia (271), lignum mit Dei sapientia (329), anima humana (331).

Von dem Abte Gottfried in dem steirischen Kloster Admont haben wir aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts eine Predigt über die Worte Matth. IV: Ductus est Jesus in desertum ..., die auch dem Verfasser unseres Gedichtes als Ausgangspunkt dienen; vgl. Patrologia CLXXIV p. 165 ff. Hier heisst es p. 170: Per desertum cor hominis intelligitur, quod a vero et sancto habitatore, Spiritu sancto, est derelictum, in quo sunt animalia pusilla cum magnis, animales, dico, et bestiales luxus carnalium desideriorum, bestialis natio et partus efferarum et inutilium cogitationum, semi∣narium nefandorum verborum et operum ...

Aus diesen wenigen Zeugnissen geht hervor, dass die un∣serem Gedicht zugrunde liegende Allegorie den Mystikern durch∣aus geläufig war. Wenn wir auch sicherlich dem englischen Dichter in der eingehenderen Ausgestaltung seiner Symbolik Originalität nicht absprechen können, so bewegt er sich doch in der Wahl seines Bilderschmuckes ebensosehr in der Bahn des in der Mystik Herkömmlichen wie in der auf eine vita contemplativa gerichteten Gesamttendenz seiner Dichtung.

Berlin.

W. Hübner.

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