Die Kildare-gedichte; die ältesten mittelenglischen denkmäler in anglo-irischer überlieferung von Dr. W. Heuser ...

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Title
Die Kildare-gedichte; die ältesten mittelenglischen denkmäler in anglo-irischer überlieferung von Dr. W. Heuser ...
Author
Heuser, Wilhelm
Publication
Bonn,: P. Hanstein,
1904.
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"Die Kildare-gedichte; die ältesten mittelenglischen denkmäler in anglo-irischer überlieferung von Dr. W. Heuser ..." In the digital collection Corpus of Middle English Prose and Verse. https://name.umdl.umich.edu/AJT2514.0001.001. University of Michigan Library Digital Collections. Accessed May 18, 2025.

Pages

XIII. Erthe.

Gedruckt von T. Wright Rel. Ant. II p. 216 (unter dem Titel: Proverbial Verses), ferner von Furnivall E. E. P. p. 150.

Die Nichtigkeit des irdischen Daseins bildet den Grund|ton des Gedichtes, die immer wiederkehrende Verwendung des Wortes Erde in doppelter Bedeutung und frappierender Gegen|überstellung ist sein äußeres Kennzeichen. Der Mensch, selber Erde, ist in Werden, Sein und Vergehen unauflöslich mit der Erde verknüpft. Erde kommt aus Erde, wandelt auf Erden und geht wieder zur Erde; Erde liebt die Erde und haßt die Erde; erwirbt sie und verliert sie; Erde gleißt auf Erden in schimmerndem Gewande und dient in Erde den Würmern zur Speise.

Lateinische oder afranz. Vorlagen zu unserem Gedichte sind nicht bekannt. Es spricht auch alles dafür, daß es echt englischen Ursprungs ist und im Zusammenhange steht mit dem für die frühste me. Literatur so wichtigen "Streite zwischen Seele und Leichnam", dessen Gedanken in einer Reihe von Versionen auftreten und in verwandten Gedichten weiter ge|sponnen werden. Schon aus einzelnen wörtlichen Anklängen

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geht die Verwandtschaft hervor. Der sehr auffallende Aus|druck in St. 2 unseres Gedichtes:

þe rof is on þe chinne

stammt aus den älteren Versionen des bekannten Streitgedichtes. In dem Oxforder Fragment (cf. Erlanger Beitr. VI p. 11) heißt es v. 10:

þe rof bid ibyld þire broste ful neh,

in den Worcester Fragm. (cf. Erlanger Beitr. VI, p. 4) C 31:

þin rof lüþ on þine breoste ful [neih],

im Ms. Digby 86 (cf. Stengel p. 100) Str. 56, 2.

Boþe þe firste & þe rof shulen ligen at þine chin[n]e

(ebenso in dem Gedichte Death aus dem Cott. und Jesus-Ms. abgedruckt von Morris, cf. O. E. Misc. p. 178) und endlich in der Version des Ms. Harl. 2253 (cf. Böddeker p. 243) v. 239:

When þe flor is at þy rug, þe rof ys at þy neose.

Auch ein 2. Ausdruck des Kild.-Gedichts:

bild þi long bold

erinnert an eine Stelle der letztgenannten Version, cf. v. 233

Fare we shule to a bour þat is oure long hom.

Der Inhalt unsres Gedichtes hat natürlich ebenfalls viele Be|rührungspunkte mit dem uralten Streitgedichte, wie schon aus einem Vergleiche mit dem Oxforder Fragmente "The Grave" hervorgeht. Nirgends aber findet sich in der verwandten Gruppe das doppelsinnige Spiel mit dem Worte Erde, wenn auch der Mensch zuweilen als cleiclot bezeichnet wird. Es lag aber nahe genug, und ein einziges Bild dieser Art mußte der Phantasie eines echten Dichters einen Stoff zuführen, wie er an eindringlichen Beziehungen und unerschöpflicher Variations|fähigkeit seines Gleichen kaum hat. Auffallend, daß keine der fremden Literaturen den dankbaren Stoff aufgegriffen und ausgebildet hat — das Englische hat ihn nicht wieder los|gelassen, wie die zahlreichen Bearbeitungen des 15. Jahrhunderts beweisen, und hat ihn auch in der Form von Inschriften auf Grabsteinen und an den Wänden von Kirchen der Nachwelt überliefert. Halliwell kennt bereits 1855 bei seinen Ver|öffentlichungen aus dem Porkington Ms. für den Warton Klub

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nicht weniger als 6 Hss. des 15. Jahrhunderts und weist auch die Verwendung einzelner Verse als Grabschriften etc. nach. Mehrere dieser späteren Versionen finden sich gedruckt bei Furnivall, E. E. T. S. 24, p. 88, sowie bei Horstmann, Yorkshire Wr. I 373; jetzt tritt noch die von Flügel Anglia XXVI p. 216 veröffentlichte hinzu, eine weitere noch unbekannte werde ich in dem Anhang abdrucken. Schwache Berührungen mit unserem Stoffe finden sich in einem spätme. Gedichte aus Ms. Lansdowne 762 (abgedr. Rel. Ant. I 260), dem der folgende lat. Spruch zu Grunde liegt:

Terram terra tegat, Daemon peccata resumat, Mundus res habeat, spiritus alta petat.

Alle Hss. der jüngeren Version haben die ersten und auch einige der übrigen Verse gemeinsam, sie beruhen also auf ein und demselben Gedichte, das sich durch Vergleichung leicht heraus|schälen ließe. Übrigens weichen die verschiedenen Hss. der Version stark von einander ab. Einzelne Strophen wurden weggelassen, andere hinzugefügt, immer neue Bilder und Gegen|überstellungen treten auf, forderte doch der dehnbare Stoff zu fortwährenden Erweiterungen und Variationen auf. Die ur|sprüngliche metrische Form der jüngeren Version — vierhebige meist alliterierende Langzeilen von germanischem Rhythmus in vierzeiligen Strophen mit durchgehendem Reim — ist noch überall deutlich erkennbar, vielfach ganz rein erhalten, zu|weilen wie bei Halliwells Abdruck, durch Bob-wheel erweitert; häufig — was besonders bei Zusatzstrophen nahelag — hat die germanische Langzeile septenarischen oder alexandrischen Charakter angenommen (cf. Flügels und Halliwells Versionen). Die Version des Kildare-Ms. ist bei weitem die ältere, sie zeigt aber Verwandtschaft mit der jüngeren Gruppe nicht bloss durch den Stoff und die eigenartige Verwendung des Wortes Erde, sondern auch durch die metrische Form, weniger allerdings durch wörtliche Anklänge. Die Kildare-Version hat sechszeilige Strophen mit der Reimstellung a a a a b b. Der germanische vierhebige Vers hat in der 1. Halbzeile meist zweimaliges 'erþ' [Schipper, Engl. Metr. I 304 faßst dies zweimalige erþ als Binnenreim auf (?).] ), in der zweiten Alliteration; auch die ersten Halbzeilen reimen

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unter sich oder endigen auf gemeinsames 'erþ'. Die Cauda nimmt oft septenarischen oder alexandrinischen Rhythmus an, schon äußerlich erscheinen die Verse hier länger. Es scheint mir durchaus möglich, daß die ursprüngliche Form der Kildare|Version wie in der jüngeren Gruppe nur vierzeilige Strophen mit durchgehendem Reime enthielt und daß die Cauda erst eine Erweiteruug darstellt. Für diese Möglichkeit scheint auch eine vereinzelte Strophe in dem bekannten Ms. Harl. 2253 zu sprechen, das einzige, was die ältere me. Literatur von Be|handlungen des Stoffes neben der unsrigen aufweist. Die Strophe, welche bereits von Wanley und Ritson gedruckt ist und auf welche Flügel a. a. O. p. 216 wiederum die Aufmerk|samkeit lenkt, lautet nach der Hs.:

Erþe toc of erþe erþe wiþ woh, Erþe oþer erþe to þe erþe droh, Erþe leyde erþe in erþene þroh, Þo heuede erþe of erþe erþe ynoh.

Die Verse erinnern direkt an die ersten 4 Zeilen unsres Gedichtes, mit denen sie bis auf eins die Reimwörter gemein haben. Auch hier aber findet sich die vierzeilige Strophe mit germanischem Rhythmus wie in der jüngeren Gruppe. Die ursprüngliche Fassung, auf welche die ältere wie die jüngere Gruppe in letzter Linie zurückgeht, hat also vermutlich vier|zeilige Strophen gehabt, ohne die Cauda, die nur in der Kil|dare-Version auftritt.

Daß die letztere keine ursprüngliche Fassung ist, wird schon durch diese Überlegung nahegelegt, Schreibung und Reim ergeben aber auch direkte Beweise, daß dem Gedichte eine zuweilen nicht richtig wiedergegebene Vorlage in andersartigem Dialekte zu Grunde lag. Das beweisen Enstellungen wie 4, 1 get hit für ursprüngliches getith; 5, 3 grouer and groy für ... grey (reimt :-ei). Das beweisen ferner verstümmelte Reime wie in Str. 7 in lond : thou com : at on (= ǫ¯): dome statt ilome: come: isome: dome und ebendaselbst mede : dede (= Tod!) statt mę¯þ Maß (cf. lat. Strophe mensura): dęþ; blis : niȝt statt miȝt : niȝt. Das geht endlich hervor aus den Fremdkörpern der Schreibung, nämlich mon 1, 5 und 7, 5, in weden : to feden : al is lif deden 2, 1, heo (= Erþ) 2, 4, wozu vielleicht auch u in muntid (= muntiþ) 2, 4 und lutil 5, 2 zu stellen ist. heo, u, sowie o vor

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Nasal kennzeichnen die Vorlage als dem südmercischen Dia|lekte angehörig.

Unter jeder englischen Strophe befindet sich eine lateinische gleichen Inhalts und ähnlicher Form, nur daß hier statt der vierhebigen Verse Septenare eingetreten sind. Wie schon die äußere Anordnung vermuten läßt, beruhen die lat. Strophen auf den englischen und nicht umgekehrt; sie sind eine nicht immer klare und glückliche Übersetzung des gelehrten Mönches, dem das englische Gedicht mit seinem so gut verwertbaren religiösen Inhalt in die Hände geraten war. Nicht allein aus den Mängeln der Übertragung, sondern vor allem aus dem Um|stande, daß das charakteristische Spiel mit dem Worte "Erþe" — hier terra, vesta, humus, ops — nur sehr unvollkommen zum Ausdruck gebracht ist, geht die Stellung der lateinischen Strophen mit Sicherheit hervor. Dieselbe Neigung in der klassischen Sprache den Pegasus zu besteigen zeigt sich noch deutlicher bei einem 2. von außen eingeführten Gedichte unsres Ms., dem Lullaby, wo ein leeres Fleckchen auf einer ganz anderen Seite dazu benutzt ist, um wenigstens den Anfang in lat. Verse zu übertragen. In beiden Fällen zeigte wohl derselbe Klosterbruder seine Kunst. Das Ms. enthält übrigens auch mehrfach rein lat. Dichtungen, die z. T. wohl in dem Kloster selbst entstanden sind.

Whan erþ haþ erþ iwonne wiþ wow, [folio 62] Þan erþ mai of erþ nim hir inow. Erþ vp erþ falliþ fol frow, [am Rande gloss ert festine] Erþ toward erþ delful him drow. Of erþ þou were makid, and mon þou art ilich; In on erþ awaked þe pore and þe riche. Terram per iniuriam cum terra lucratur, Tunc de terra copiam [Ms. cepiam? (so Wright)] terra sorciatur, Terra super aream subito frustratur, Se traxit ad aridam terraque tristatur. De terra plasmaris, es similis [Wr. similis; Fur. simile; Ms. simil'] virroni, Vna terra pauperes ac dites sunt proni.
Erþ geþ on erþ wrikkend in weden, Erþ toward erþ wormes to feden,

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Erþ berriþ [beriþ, Ms. b'riþ] to erþ al is lif deden; When erþ is in erþe, heo muntiþ [Ms. muntid, glossiert metitur] þi meden. When erþ is in erþe, þe rof is on þe chynne; Þan schullen an hundred wormes wroten on þe skin. Vesta pergit uestibus super uestem vare, Artatur et uermibus vesta pastum dare, Ac cum gestis omnibus ad uestam migrare; Cum uesta sit scrobibus, quis wlt [Fur. vult, Wr. wlt] suspirare? Cum sit uesta posita, [ponita, Ms. pōita] doma tangit mentum; Tunc in cute candida, verrunt [am Rande glossiert trahunt] uermes centum.
Erþ askiþ erþ, and erþ hir answeriþ, [Ms. answerid] Whi erþ hatiþ [Ms. hatid] erþ and erþ erþ verriþ. [Ms. verrid] Erþ haþ erþ, and erþ erþ teriþ; Erþ geeþ on erþ, and erþ erþ berriþ. Of erþ þow were bigun, on erþ þou schalt end; Al þat þou in erþ wonne, [am Rande lucrabaris] to erþ schal hit wend. Humus humum repetit, et responsum datur, Humum quare negligit et humo fruatur; Humus humum porrigit, sic et operatur, Super humum peragit, humo quod [humoque, Ms. humo q] portatur. Humo sic inciperis ac humo meabis; Quod humo quesieris, humo totum dabis.
Erþ getith [Ms. get hit, darüber die Glosse lucratur] on erþ maistri [maistrie, Ms. maisti] and miȝte; [folio 63] Al we beþ erþ, to erþ we beþ idiȝte; Erþ askeþ carayne of king and of kniȝt; Whan erþ is in erþ, so lowȝ he beliȝt. Whan þi riȝt and þi wowȝ wendiþ þe bifor, Be þou þre niȝt in a þrouȝ, þi frendschip is ilor. Terra uimque [Fur. Wr. vincit, Ms. uīqȝ] brauivm terra collucratur, Totus cetus hominvm de terra patratur, [Wr. patra|tur, Fur. portratur, Ms. partratur] Ops cadauer militvm que regis [Wr. reges] scrutatur; Cum detur in tumulvm, mox terra voratur.

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Cum ius et iusticivm coram te migrabunt, Pauci per trinoccivm [Fur. Wr. trinoctivm] mortem deplorabunt.
Erþ is a palfrei to king and to quene, Erþ is a [Ms. ar] lang wei, þouw we lutil wene, Þat weriþ grouer [Ms. gouer,] and grey [Ms. goy (= groy), lies fou and grey?] and schrud so schene — Whan erþ makiþ is liuerei, he grauiþ vs in grene. Whan erþ haþ erþ [Wohl besser haþ erþ hinter streinþ, die Umstellung scheint des Reimes halber notwendig] wiþ streinþ þus geten, Alast he haþ is leinþ miseislich imeten. Dic uestam dextrarium regique regine, Iter longum marium, quod est sine fine, Indumentum uarium dans cedit sentine [Wr. sentinæ, Fur. scutine, Ms. sētine] ; Quando [Wr. Quando, Fur. omne, Ms. Qn] dat corrodium, nos tradit ruine. Cum per fortitudinem tenet hanc lucratam, Capit longitudinem misere metatam.
Erþ gette on erþ gersom and gold, Erþ is þi moder, in erþ is þi mold. Erþ uppon erþ be þi soule hold; Er erþe go to erþe, bild þi long bold! Erþ bilt [bild (erstes Mal), im Ms. mit roter Tinte am Rande bildiþ] castles, and erþe bilt toures; [folio 63b] Whan erþ is on erþe, blak beþ þe boures. Humus querit plurima super humum bona, Humus est mater tua, in qua [quam] sumas dona. [dorna] Anime sis famula super humum prona, Domum dei perpetra mundo cum corona. Ops turres edificat ac castra de petra; Quando [Ms. qn, Fur. quin oder quando, Wr. quando,] fatum capiat, penora sunt tetra.
Þenk man in lond [lies ilome?] on þi last ende, Whar of þou com and whoder schaltou wend; Make þe wel at on [lies isome?] wiþ him þat is so hend, And dred þe of þe dome, lest sin þe schend. For he is king of miȝt [Ms. blis] and mon of moche meþ, [Ms. mede] Þat deliþ þe dai fram niȝt and leniþ [leuiþ] lif and deþ. [Ms. dede.]

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De fine nouissimo mauors mediteris; Huc quo ueneris uico, dic quo gradieris. Miti prudentissimo concordare deris; Hesites iudicio, [Wr. judicio, Fur iudicio, Ms. iudico.] ne noxa dampneris. Quia rex est glorie, dans mensura restat; Mutat noctem de die, vitam mortem prestat.
Amen.
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